Fremdwörter im Deutschen

Seit jeher sind Wörter aus fremden Sprachen ins Deutsche aufgenommen worden. Die einen haben sich dem Deutschen angepasst, sodass man ihnen ihre fremde Herkunft nicht mehr ansieht. Viele von ihnen werden aber immer noch als fremd empfunden. Sie spielen in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle.

Fremdwörter sind im Deutschen grundsätzlich als solche erkennbar, weil ihre Schreibweise, ihre Aussprache, ihre Betonung oder ihre Mehrzahlform vom Deutschen abweicht: Agio, Business, Farce, cool, paradox, oxidativ, innovativ. Der Anteil der Fremdwörter an den geschätzten 400'000 Wörtern des Deutschen liegt bei etwa 10 %. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Nomen, nur etwa jedes zwanzigste Fremdwort ist ein Verb. Als Internationalismen bezeichnet man Fremdwörter wie Station, Hotel, Professor, Fotografie usw., die in den meisten Sprachen der Welt vorkommen.

Wenn sich ein Fremdwort im Laufe der Zeit dem Deutschen angleicht, so spricht man von einem Lehnwort. Aus dem Französischen etwa stammen Wörter wie Teller (von tailler: schneiden) oder Fehler (von faillir: fehlschlagen). Doch nicht alle Fremdwörter werden zu Lehnwörtern. Fremdwörter mit lateinischen oder griechischen Wurzeln wie etwa Anatomie oder Xylophon werden aufgrund ihrer eindeutig fremden Wortbausteine oder ihres ungewohnten Schrift- und Klangbildes nicht einfach zu deutschen Wörtern.

Weshalb gibt es im Deutschen Fremdwörter?


Fremdwörter existieren in jeder Sprache. Wanderungsbewegungen, Krieg, Kolonialisierung, wissenschaftliche oder technologische Zusammenarbeit, Handel und Tourismus führten und führen naturgemäss zu einem Austausch zwischen Völkern und Kulturen. Dabei gelangen auch Wörter von einer Sprache, der Gebersprache, in eine andere Sprache, die Nehmersprache.

Altgriechisch und Latein waren seit der Antike die Sprachen der Wissenschaft. Solche Fremdwörter sind in verschiedenen Perioden ins Deutsche gelangt, manchmal direkt und manchmal auf einem Umweg über eine andere Sprache. Viele dieser Fremdwörter spielen heute noch in verschiedenen Lebensbereichen eine wichtige Rolle.

Italienische Fremdwörter wie Giro, Kasse, Saldo, Konto oder Bilanz fanden in der Renaissance Eingang ins Deutsche. Damals waren Venedig und Florenz das Mass aller Dinge, wenn es um Kunst und Handel ging.

Im 17. Jahrhundert begann dann der Siegeszug des Französischen. Louis XIV, der Sonnenkönig, genoss mit seinem Hofstaat und seinen kulturellen und militärischen Leistungen grosse Bewunderung, so dass die französische Sprache in Deutschland in gehobenen Gesellschaftsschichten die deutsche Sprache beinahe verdrängt hätte. Der Einfluss des Französischen blieb bis ins 20. Jhdt. gross, nicht zuletzt auch deshalb, weil Französisch als die Sprache der Diplomatie galt.

Mit dem militärischen, technologischen und wirtschaftlichen Aufstieg der USA im 20. Jhdt. gewann Englisch enorm an Bedeutung. Pop-Musik und Filme aus dem anglosächsischen Raum verstärkten diesen Einfluss noch. Die heutige Flut von englischen Fremdwörtern ist auch eine Folge der Globalisierung. Englisch ist eben nicht nur die Sprache der englischsprachigen Länder dieser Erde, Englisch ist unabhängig von diesen die Sprache der globalen Kommunikation schlechthin geworden.

Fremdwörter - Gefahr oder Bereicherung?


Fremdwörter finden den Weg in eine Sprache, wenn sie etwas ausdrücken, wofür es in der Nehmersprache noch gar kein Wort gibt, oder wenn sie einen Sachverhalt treffender ausdrücken als ein althergebrachtes Wort. Fremdwörter werden auch dann gerne in eine Sprache aufgenommen, wenn die Gebersprache – und die dahinter stehende Kultur – ein hohes Prestige geniesst, wenn sie von vielen als "cool" empfunden wird.

Man hört oft, auf Fremdwörter sei zu verzichten. Vorsicht ist tatsächlich geboten, denn viele Fremdwörter erschweren das Textverständnis. Wer also Wichtiges zu sagen hat, soll es nicht mit Fremdwörtern verschleiern. Und wer nicht ganz sicher ist, ob sein Gegenüber und – noch wichtiger – ob er selbst ein Fremdwort richtig versteht, soll auf das Fremdwort verzichten.

Doch Fremdwörter sind grundsätzlich eine Bereicherung der Sprache, weil sie unsere Ausdrucksmöglichkeiten erweitern. In den folgenden Fällen sind Fremdwörter sogar äusserst willkommen:

(1) Wenn man das Fremdwort nicht ersetzen kann. Wörter wie Elektrizität, Rezept, Ultimatum oder Fairness lassen sich nicht durch deutsche Wörter ersetzen und müssten umständlich umschrieben werden.

(2) Wenn ein Fremdwort eine gewollte stilistische Variante ist. Fremdwörter sorgen für Abwechslung und verhindern Wortwiederholungen. Sie können Nuancen ausdrücken, eine bestimmte Atmosphäre schaffen oder besser in eine bestimmte Stilschicht passen.

(3) Wenn ein Fremdwort ein Fachbegriff ist. Fachleute brauchen Fachausdrücke, meist Fremdwörter, wenn es um ihr Fachgebiet geht. Diese sind für Laien im Allgemeinen nicht verständlich.

Reicht Mogeln auf die Dauer?


Über Fremdwörter verlieren wir keine grossen Worte. Wer muss schon im Wörterbuch nachschlagen, was aggressiv oder elektrisch heisst? Und wer weiss nicht, was eine Homepage ist oder ein Online-Shop? Fremdwörter kenn man - mein man. Doch was machen wir, wenn wir ein Fremdwort mal nicht verstehen? Wenn an einer Sitzung der Begriff Akronym fällt? Wenn in einem Sachbuch von einem holistischen Modell oder der kognitiven Entwicklung die Rede ist? Oder wenn jemand in Gesellschaft von sich sagt, er betrachte sich als Agnostiker?

In solchen Fällen müssen wir oft ein wenig mogeln. Strategie 1: Raten! - Strategie 2: «Das ist ein unwichtiges Fremdwort, braucht man gar nicht zu kennen.» - Strategie 3: «So ein Angeber, der mit seinen Fremdwörtern, der kann mich mal!»

Mag sein, dass man so im einen oder andern Fall über die Runden kommt. Doch Fremdwörter zu kennen ist besser. Wer fremdwortsicher ist, versteht mehr. Und er lässt sich nicht mehr so schnell ausser Gefecht setzen, weder im beruflichen noch im gesellschaftlichen Umfeld.

Den Fremdwortschatz erweitern


Wer arbeitet, studiert oder sich weiterbildet, muss anspruchsvolle Sach- und Zeitungstexte verstehen. Fehlende Fremdwortkenntnisse können dabei zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Im privaten wie auch im beruflichen Umfeld bringt man die eigene Person in erster Linie über die Sprache ein. Wer Diskussionen folgen und mitreden kann, wird ernst genommen und respektiert. Fremdwortkenntnisse schützen zudem vor Manipulation. Wer fremdwortsicher ist, lässt sich nicht mehr so leicht beeindrucken oder gar einschüchtern.

Fremdwortkenntnisse werden also oft vorausgesetzt, aber nirgends systematisch vermittelt. Während man englische Fremdwörter mit einigen Englischkenntnissen versteht, sind Wörter mit lateinischen oder griechischen Bausteinen schwerer zugänglich.

Wortfamilien kennenlernen!


Die Erweiterung des Fremdwortschatzes ist eine Daueraufgabe, die sich lohnt und die Spass macht. Im Fall von griechischen und lateinischen Fremdwörternist die Kenntnis von Wortbausteinen besonders hilfreich. Viele Fremdwörter sind über gemeinsame Wortbausteine miteinander verwandt. Das soll anhand von drei relativ geläufigen Wortfamilien gezeigt werden.

So bilden z. B. Wörter mit dem Baustein mob oder mot (lateinisch: bewegen) eine Wortfamilie: Ein Motiv ist ein Beweggrund, die Gesamtheit aller Beweggründe ist die Motivation. Wenn etwas bewegend ist, ist es emotional. Als Immobilien bezeichnet man den nicht beweglichen Besitz, während die Möbel die beweglichen Einrichtungsgegenstände sind. Zur selben Familie gehören auch die Wörter Motor (Beweger) oder mobil (beweglich).

Eine andere Wortfamilie bilden die Wörter mit dem Baustein gen (griechisch: Ursprung, erzeugen). Um den Ursprung des Lebens geht es bei den Wörtern Gen, Genetik, genetisch und bei den Genitalien, aber auch bei der Genesis, der Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Genealogie heisst die Ahnenforschung und ein Generator ist ein Erzeuger (von Strom).

Auch die Fremdwörter Pentagon, Pentameter, Pentaeder, Pentagramm, Pentateuch sind miteinander verwandt, und zwar über den griechischen Baustein penta, der fünf bedeutet.

Sehr viele Fremdwörter lassen sich über solche Bausteine erschliessen. Es gibt einige hundert Wortfamilien, die auf griechischen und lateinischen Fremdwort-Bausteine basieren. Diese Bausteine sind der Schlüssel zum Verständnis unzähliger Fremdwörter, aber auch eine grosse Hilfe für das Gedächtnis. Je mehr Bausteine und Familien man kennt, desto einfacher lassen sich neue Fremdwörter einordnen und im Gedächtnis speichern.

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© 2017 hk Verlag – Version 02
Fremdwörter verstehen
Das Fremdwortwissen für Schule, Studium und Beruf
Zu den Lernheften
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