Schweizer Deutsch

Hochdeutsch ist die gemeinsame Hochsprache aller deutschsprachigen Länder. Doch es gibt Unterschiede zwischen den Ländern. Die Unterschiede sind zum Teil so gross, dass es zu Verständigungsproblemen kommen kann. Wie erklärt man beispielsweise einem Deutschen, was eine Abdankung, ein Znüni oder eine Zwängerei ist?

Schweizerdeutsch


Unter Schweizerdeutsch verstehen wir die Mundarten oder Dialekte, die bei uns gesprochen, seltener geschrieben werden. Jeder Kanton, jede Region hat eine eigene Mundart. Oftmals unterscheiden sich sogar die Dialekte von Nachbargemeinden deutlich. Schon nach wenigen Sätzen erkennen wir in der Regel, ob ein Gesprächspartner aus Basel, Bern, Luzern, Zürich, St. Gallen oder dem Wallis stammt. Neben der Aussprache, die ein wichtiges unterscheidendes Merkmal der Mundarten ist, fallen uns vor allem auch die besonderen Ausdrücke auf, die in verschiedenen Regionen verwendet werden. So kann das zürichdeutsche Wort Chäib, das ursprünglich so viel bedeutete wie Kadaver oder Aas, heute sowohl Negatives wie Positives ausdrücken: en tume Chäib, en liebe Chäib. E chäibe schööns Mäitli bedeutet etwas ganz anderes als e schööns chäibe Mäitli. Wer sich näher mit einzelnen Mundarten befassen will, findet reichlich Stoff in den Mundartgrammatiken und den Wörterbüchern, die der Bund Schwyzertütsch herausgegeben hat.

Heutzutage ist je länger, desto häufiger zu beobachten, dass sich die Dialekte vermischen oder teilweise mit importierten Ausdrücken aus Deutschland, England oder den USA aufgefüllt werden. Statt Anke verwendet die meisten Mundartsprecher heute Putter, statt Zmorge hört man bereits häufig Früestück, aber auch an die heutigen «In-Adjektive» wie cool, mega, oder geil hat man sich bereits gewöhnt. Gründe für diese sprachlichen Veränderungen sind die Mobilität der heutigen Gesellschaft, die zahlreichen technischen Neuerungen sowie die Überflutung durch in- und ausländische Medien. Trotz dieser Veränderungen fällt es uns leicht, die Besonderheiten des Schweizerdeutschen zu erkennen und in geschriebenen Texten zu vermeiden. Sätze wie Die Lüüti von meinem Velo war kaputt finden wir allenfalls noch in Unterstufen-Aufsätzen, Schimpfwörter wie Lappi, Lööli, blööde Siech nur in derber Umgangssprache.

Schweizer Deutsch


Auch an der geschriebenen Sprache erkennt man den Schweizer oder die Schweizerin sehr rasch, weil bei uns Tausende von Wörtern üblich sind, die man in Deutschland oder Österreich nicht kennt oder nicht verwendet. Da wir solche Wörter und Ausdrücke täglich in der Presse lesen oder in den Nachrichten hören, sind wir oftmals erstaunt, wenn Nichtschweizer sie nicht verstehen. Es handelt sich also um einen speziellen Wortschatz, der nur im Gebiet der Deutschschweiz verbreitet ist. Das Duden- Rechtschreibwörterbuch verzeichnet über 1500 so genannte Helvetismen. Es handelt sich dabei also ausdrücklich nicht um Mundartwörter, sondern um «schriftdeutsche» Ausdrücke schweizerischer Prägung. Helvetismen, die wir bei uns problemlos verwenden können und über deren schweizerische Herkunft wir uns oft gar nicht im Klaren sind, sollten wir im Briefverkehr mit unsern Nachbarn wenn möglich vermeiden oder – falls dies nicht möglich ist – erklären.

Wissen Sie, wie man in Deutschland eine Abdankung nennt? Eine Trauerfeier oder einen Trauergottesdienst. Die Abwaschmaschine heisst Geschirrspüler, die Aktion ist ein Sonderangebot, den Aktuar nennt man Schriftführer, der Gemeindepräsident wird Bürgermeister genannt, während der Vereinspräsident als Vorsitzender bezeichnet wird. Im Bereich des Verkehrs verwenden wir Wörter wie Tram, Velo, Töff, Trottoir, Billett, Perron, Kondukteur. Aus dem Sport sind uns Wörter geläufig wie Corner, Penalty, Service, Game, Set, Match, Smash usw. Solche Wörter sind zusammen mit den Sportarten importiert worden und haben sich eingebürgert.

In Deutschland wurden seit Konrad Dudens erstem Orthographischen Wörterbuch (1880) immer wieder Versuche unternommen, Fremdwörter einzudeutschen oder durch deutsche Wörter zu ersetzen, vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus. Viele Versuche wirkten wohl lächerlich und konnten sich nicht durchsetzen, wie zum Beispiel Kraftstall (Garage, Autowerkstatt), Meuchelpuffer (Pistole) oder Zierapfeltunke (Tomatensauce). Andere ins Deutsche übersetzte Wörter haben sich in Deutschland teilweise eingebürgert, während sich in der Schweiz meist das ursprüngliche Wort durchgesetzt hat: Rundfunk (Radio), Fernsprecher (Telefon), Hubschrauber (Helikopter), Pkw (Personenkraftwagen, bei uns einfach Pw).

Auch im Norden ist vieles anders


Vergessen wir jedoch nicht, dass es auch in Deutschland regionale Unterschiede gibt, die in der geschriebenen Sprache Ausdruck finden. Ein paar Beispiele: Für das Wort Brötchen verwendet man im südwestdeutschen Sprachraum Weck, Wecken oder Weckle, in Bayern und Österreich Semmel, in anderen Regionen kommen zudem die Wörter Rundstück, Kipfl und Laabla (kleiner Laib) vor. Der kleine Hackbraten heisst in Baden-Württemberg Fleischküchle, in Teilen Bayerns Fleischpflanzl, in Österreich Fleischlaiberl, in Mittel- und Norddeutschland Frikadelle, und in Berlin und Umgebung Bulette; und dank McDonald wird er wohl überall bald nur noch Hamburger heissen. Unser Kartoffelstock heisst je nach Region Kartoffelbrei, Kartoffelpüree, Quetschkartoffeln, Stampfkartoffeln oder Kartoffelmus. Für kneifen (chlüübe) kennt man die Wörter pfetzen, petzen, zwicken, klemmen und kneipen. Und der Lutscher (Schläckstängel) heisst je nach Gegend Lolli, Lutschstange, Nutscher, Schlotzer, Lecker, Schlecker oder Zuckerstengel.

Rudi Bentz, Dr. phil. Mittelschullehrer © hk Verlag

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